Flächenverbrauch, Bodenversiegelung und Boden als Kohlenstoffspeicher
Anlässlich des UN-Internationalen Jahr des Bodens und dem Weltbodentag lud das Bundesforschungszentrum für Wald gemeinsam mit der Österreichischen Hagelversicherung, AGES, Umweltbundesamt, Ökosozialem Forum, Österreichischer Bodenkundlicher Gesellschaft, der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und Austrian Institute of Technology (AIT) am 3. Dezember 2015 ein zum Kinotag im Stadtkino im Künstlerhaus. Es wurde der Dokumentarfilm “Symphony of the Soil” (Deborah Koons Garcia, USA 2013) gezeigt (www.symphonyofthesoil.com)
Die ExpertInnendiskussion mit Publikumsbeteiligung widmete sich dabei der zentralen Frage nach dem steigenden Flächenverbrauch in Österreich. Schwerpunkte: Bodenversiegelung, die hohe Supermarktdichte, fehlende Raumordnungsgesetze und der (Wald-)Boden als Schlüssel für Kohlenstoffspeicherung bewegten die zahlreichen TeilnehmerInnen. Aber auch Jugendliche wurden mit dem Film erreicht. Im Anschluss an die Filmvorführungen entstanden rege Fragerunden, die von den ExpertInnen von BFW, AGES und Umweltbundesamt begleitet wurden. Zwei Skulpturen des Künstlers Simon Goritschnig mit dem Titel Protozoen I und II rundeten das Rahmenprogramm ab.
Peter Mayer (Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald): Die Waldökologie beschäftigt sich mit der Lebensgemeinschaft im Wald und deren Wechselbeziehungen zur unbelebten Umwelt, den sogenannten Standortsfaktoren. Ein wichtiger Standortsfaktor ist der Waldboden. „Böden sind für das Wachstum unserer Bäume von entscheidender Bedeutung. Sie erfüllen durch ihre Puffer- und Filterwirkung darüber hinaus viele ökologische Funktionen, wie zum Beispiel Trinkwasserproduktion und Hochwasserrückhalt“, sagte BFW-Leiter Peter Mayer. Aufgabe der Waldökologie ist es, Grundlagen für eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder bereitzustellen. Auch bei der Klimaschutzkonferenz in Paris wurde nun hervorgehoben, dass Wald und (Wald-)Boden bei Fragen zur Kohlenstoffspeicherung und zu Treibhausgasen im Mittelpunkt der Klimaschutzpolitik steht.
Mario Winkler (Österreichische Hagelversicherung): „Täglich werden in Österreich rund 20 Hektar (entspricht der Fläche von 30 Fußballfeldern) wertvolle Wiesen und Äcker für Straßen, Siedlungen, Shopping-Center oder Industriehallen verbaut. Damit hält Österreich bei der Verbauung und Zerstörung der fruchtbaren Böden einen Negativrekord in Europa“, fasst Dr. Mario Winkler die bedenkliche Entwicklung zusammen. „So hat Österreich mit 1,80 m² die höchste Supermarktfläche pro Kopf in der EU und ist zudem mit 15 Meter Straßenlänge pro Kopf Spitzenreiter. Auf der anderen Seite gibt es in Österreich 13.000 Hektar leerstehende Industriehallen, das entspricht der Fläche der Stadt Graz. Der Boden ist aber die einzige Ressource, mit der Lebensmittel produziert werden können und deshalb ist sein Schutz für die Ernährung der steigenden Bevölkerung unverzichtbar. Verbauen wir nicht die Zukunft unserer Kinder!“, so sein Appell.
Heide Spiegel (Bodenexpertin bei der AGES): Die Bedeutung des Bodens für die Ernährungssicherung in Österreich strich Heide Spiegel von der Abteilung Bodengesundheit und Pflanzenernährung der AGES hervor: „Die Qualität und Fruchtbarkeit unserer heimischen Böden ist entscheidend für die Produktion und damit Versorgung mit Lebensmitteln, Futtermitteln und Biomasse. Das heißt auch, dass diese frei von bzw. arm an Schadstoffen wie zum Beispiel Cadmium oder Blei sein müssen, die von der Pflanzen aufgenommen werden können.“ Daher sind Bodenuntersuchungen wichtig. Und auch die Beratung der Praktiker beim Erhalt und Aufbau von Humus, der Bodenbearbeitung sowie dem Einarbeiten von Ernteresten und bei der Verwendung von organischem Kompost bzw. Stallmist ist eine der zentralen Aufgaben.
Karl Kienzl (stellvertretender Geschäftsführer im Umweltbundesamt) wies auf den Zusammenhang zwischen Lebensstil und Landimporte hin. Derzeit werden in der Europäischen Union Produkte konsumiert, die zu zwei Drittel außerhalb der EU produziert werden. Dafür werden u.a. auch Rohstoffe benötigt, die auf dortigen Böden produziert werden. Diese indirekten Landimporte im derzeitigen Ausmaß werden in Zukunft nicht mehr möglich sein. „Bodenschutz bedeutet, das Naturkapital unserer Gesellschaft zu sichern. Das kann nur gelingen, wenn Expertenorganisationen wie das Umweltbundesamt, Wissenschafter und Politiker an Strategien und Lösungen gemeinsam arbeiten. Und auch jeder Einzelne kann mit seinen täglichen Konsumentscheidungen zum Bodenschutz beitragen.“
Verena Winiwarter (Umwelthistorikerin an der Alpen-Adria-Universität): „Bodenschutz rührt an Eigentumsrechte, an die wir gewöhnt sind. Doch der Erhalt von Ökosystemleistungen der Böden erfordert ein Umdenken. Bewusstseinsbildung ist nur ein kleiner Baustein, wichtig sind gesetzliche Änderungen, etwa die verpflichtende Einbeziehung von ExpertInnen bei allen baubehördlichen Verfahren erster Instanz und eine Gemeinwohlverpflichtung, wie sie für Waldbesitzer längst vertraut ist. Voraussetzung ist wohl eine ökologische Steuerreform, die die wahren Kosten merkbar macht.“
Hans Mayrhofer (Generalsekretär Ökosoziales Forum): „Mehr als 90 Prozent unserer Nahrungsmittel kommen aus dem Boden, aber nur auf gesundem Boden können Lebensmittel produziert werden. Deshalb sollten wir fruchtbare Böden vor Versiegelung schützen. Mit der Bodencharta haben sich wichtige Organisationen zu einer flächensparenden Bodenpolitik bekannt. Besonders auf lokaler Ebene können Flächen gespart werden. Das kann durch die Stärkung des Ortskerns, eine verdichtete Bauweise oder Flächenrecycling und die Nachnutzung von Objekten passieren.“